Schon vor über 100 Jahren
Schützenfeste in Rethen
An spannende Wettkämpfe in einem modernen, überdachten Schießstand und anschließenden Feiern im großen Festzelt – daran dachte im vorigen Jahrhundert niemand auch nur im Traum.
Die Bedingungen unter denen damals die Majestäten ermittelt wurden, mögen heute wohl eher originell anmuten.
Ein durchaus nicht ungefährliches Amt hatte dabei der „Scheibengucker“. Denn während die Schützen von der Pitsche-Patsche (der heutigen Maschstraße) aus anlegten, mußte er sich hinter einer uralten, dicken Pappel verstecken, um nicht selber getroffen zu werden. Aus Gründen der Sparsamkeit stand nur 1 Gewehr zur Verfügung und die Patronen dafür füllte ein dorfansässiger „Feuerwerker“.
Auch mit der Chancengleichheit der Bewerber war es damals so eine Sache – denn häufig waren die neuen Könige weit vor dem Wettbewerb auserwählt worden.
Damit in solchen Fällen nicht der „Verkehrte“ den Königsschuß abgab, wurde dem Scheibengucker rechtzeitig ein Zeichen gegeben, bei welchem Teilnehmer er das beste Ergebnis zu vermelden hatte.
Auch aufs Feiern verstanden sich die Rethener: Getanzt wurde, das belegt die Bezeichnung Tanzplatz auf einer alten Katasterkarte, auf der Heide im Norden des Dorfes. Diese Stelle wurde wohl durchaus mit Bedacht gewählt, denn erfahrungsgemäß war der Boden hier auch bei Regen trocken und fest.
Und die Musik stellte das Dorf selbstverständlich selber auf die Beine. Allein der Rethener Ortsteil „Heide“ brachte es auf 4 Musikanten. Anstelle des modernen Schlagzeugs wirkte allerdings ein Bassgeiger, der den Trompeten, Klarinetten und Geigen den nötigen Rhythmus gab.
Geistige Getränke, Schnaps und Bier mussten aus dem „Amt Gifhorn“ bezogen werden, sonst fiel der Zoll zu hoch aus. Man verstand es im Dorf auch, ein alkoholarmes Ernte-Braunbier herzustellen, welches bei der damals fehlenden Emanzipation wohl hauptsächlich den Mädchen und Frauen gereicht wurde.
Dorffeste dürfte es in Rethen schon vor Mitte des vorigen Jahrhunderts gegeben haben, sie waren vermutlich den heutigen Schützenfesten sehr ähnlich. Die älteste bekannte Rethener Schützenscheibe datierte aus dem Jahre 1883, sie zierte früher das Haus Kuk.
Im Jahre 1913 übernahm es der damalige „Kriegerverein“, eine stabile Natursteinmauer zu bauen, vor der die Scheiben angebracht wurden. 13 Jahre später wurde ein für damalige Verhältnisse moderner Schießstand gebaut.
Die große Holzscheibe konnte aus dem geschlossenen Raum nach draußen geschoben und zum Nachsehen wieder eingeholt werden.
Auch ein Ereignis aus dem Jahre 1924 soll nicht unerwähnt bleiben: Damals wurde nämlich zum ersten Mal ein Festzelt aufgebaut, in dem dann ausgelassen gefeiert wurde.
Im Jahre 1939 wurde der letzte Schützenkönig vor dem 2. Weltkrieg ausgeschossen.
Die noch unverheirateten Burschen und Mädchen, die „Junge Gesellschaft“ nahm 1947 wieder das Festefeiern auf. Schußwaffen waren allerdings verboten, so mußte man sich damit begnügen, auf einem galoppierenden Pferde sitzend, einen Ring vom Nagel zu stechen. Die Veranstaltung hieß zu der Zeit daher auch „Fahnenjagen“.
Ab 1951 durfte dann wieder mit Kleinkaliber-Gewehren geschossen werden. Eigene Gewehre standen jedoch nicht zur Verfügung. Ein „Waffenmeister“ zog von Schützenfest zu Schützenfest und brachte Gewehre und Munition mit.
Jahrelang wurden so von der „Jungen Gesellschaft“ erfolgreich Schützenfeste gefeiert.
Ende der 50er Jahre ging die Mitgliederzahl jedoch ständig zurück und die Schwierigkeiten, ein großes Schützenfest zu veranstalten, wurden immer größer. In den Reihen der Erwachsenen war das Interesse am sportlichen Schießen gewachsen, zumal in einigen Nachbarorten Schützenvereine bereits wieder neu gegründet waren.
Im Frühjahr 1962 setzten sich einige interessierte Bürger mit der Jungen Gesellschaft zusammen, um die Gründung eines Schützenvereins vorzubereiten. Hauptträger dieser Idee waren Hermann Husmann und Martin Schafschwert.
Gemeinsam mit dem Vorstand der Jungen Gesellschaft, Eckhard Fricke und Wilhelm Sonnenberg wurden beim Bürgerschützenkorps Isenbüttel die ersten Informationen eingeholt. Die Isenbütteler standen dann bei der Gründung des Schützenkorps Rethen auch Pate.
Am 22.6.1962 war es soweit. Hermann Husmann und Martin Schafschwert hatten alle männlichen Bürger der Gemeinde zu einer Versammlung eingeladen. 88 Mitglieder trugen sich in die Gründerliste ein. In den Vorstand wurden gewählt:
1. Vorsitzender Martin Schafschwert
2. Vorsitzender Georg Richter sen.
1. Schriftführer Eckhard Fricke
1. Kassierer Wilhelm Sonnenberg
Kommandeur Hermann Benstem
Gründungsmitglieder des Schützenkorps Rethen 1962:
Aschenbrenner, A. | Heumann, G. | Paul, W. |
Barth, R. | Heuer, H. | Quedel, K.-H. |
Becker, B. | Hinze, G. | Reinecke, O. |
Benstem, H. | Hinze, H. | Reinecke, G. |
Bertram, H. | Hinze, W. | Reinecke, H./60 |
Bottin, E. | Haase, R. | Reinecke, E. sen. |
Bosse, H.-H. | Hussmann, H. | Reinecke, H. |
Brandes, K. | Husmann, H. jun. | Reinecke, W. |
Brandes, E. | Husmann, H. sen. | Richter, G. jun. |
Beins, H. | Habermann, W. | Richter, G. sen. |
Bertram, K. | Jäckel, G. | Rolfs, H. |
Bosse, M. | Kuk, E. | Schenkel, G. |
Brandes, E. | Kuckla, H. | Scharfschwert, M |
Broistedt, W. | Karcher, H. | Schiefke, A. |
Brandt, R. | Kupski, H. | Siewert, E. |
Dehn, W. | Kremling, H. sen. | Spormann, H. |
Dießel, K. | Kroner, Ph. | Stöter, A. |
Engel, R. | Lilie, H. | Stelter, A. |
Fuhrmann, R. | Lütge, F. | Sielemann, H. |
Fricke, E. | Lehne, K. | Schneppe, W. |
Freude, W. | Leiding, A. | Schröder, A. |
Frenzel, M. | Maas, G. | Siewert, A. |
Gaus, H. | Michels, H. | Schenkel, H. |
Gust, S. | Matthies, H.-H. | Sonnenberg, W. |
Gust, A. | Neugebauer, E. | Sudhoff, H.-D. |
Gühne, U. | Neugebauer, G. | Tiede, R. |
Glass, F. | Otte, H. jun. | Twesten, W. |
Gollner, H. | Piksa, W. | Weichert, W. sen. |
Gerke, H. | Prietzsch, H. | Wilke, H. |
Hinze, H./9 | Putzmann, H. jun. | Wittneben, R. |
Hinze, H./23 | Putzmann, H. sen. | Walter, A. |
Habermann, Wolfg. | Putzmann, W. | Zysk, R. |
Hauer, W. |
Auf einer nachfolgenden Versammlung wurden Heinrich Kremling zum Schießsportleiter und Walter Habermann und Hermann Husmann zum Zugführer gewählt. Anfang August feierte man das erste Schützenfest. Nachstehend ein Auszug aus dem Pressebericht:
Das war ein Schützenfest, wie man es in Rethen schon seit vielen Jahren
nicht mehr erlebt hat. Von Sonnabendmittag bis Montag morgen herrschten
Jubel, Trubel und Heiterkeit auf dem Festplatz, das Singen, Tanzen und
Feiern wollte kein Ende nehmen. Erstmalig fand das Fest auf dem Sportplatz
statt, wo zwei große Festzelte aufgebaut waren. Man kann der Gemeinde und vor
allem dem erst vor ein paar Wochen aus der Taufe gehobenen Schützen-
korps gratulieren. Das erste Fest des neu gegründeten Vereins war ein voller
Erfolg! Und wir sind sicher, in der Zukunft werden die Schützenfeste in Rethen
noch schöner, noch besser und noch gemütlicher werden!
Wichtiges Thema nach dem gelungenen, gesellschaftlichen Start war der Schießsport. Ein eigener Schießstand war nicht verfügbar, und die Schützen mußten zum Schießen immer nach Eickhorst fahren. Auf der Generalversammlung am 28.12.62 wurde unter Punkt 9 folgendes beschlossen: Der Anschaffung eines Luftgewehrs wurde von der Versammlung zugestimmt. Dem Vorstand lag ein günstiges Angebot eines gebrauchten Gewehres vor, das angenommen wurde.
Im Laufe der Jahre ist der Waffenbestand des Schützenkorps jedoch „etwas“ gewachsen!
Anfang 1964 begannen die Planungen für einen eigenen Schießstand. Die Gemeinde hatte auf Antrag das Baugelände, sowie eine Zuschuß von DM 2.500,00 zur Verfügung gestellt. Nach einigen Überlegungen wurde dieser Plan jedoch wieder aufgegeben und die Gemeinde wurde als Bauherr eines Gemeinschaftshauses gewonnen. Die Leitung dieses Projekts übernahm Hermann Husmann jun. Ihm verdanken wir auch einen großen Teil der Verwirklichung dieses Planes.
In zweijähriger Bauzeit wurde in Eigenleistung der Mitglieder des TSV und des Schützenkorps das Gemeindezentrum errichtet. Beim Schützenfest 1968 konnte das Preisschießen erstmals auf dem neuen Schießstand veranstaltet werden.
Die eigenen Schießstände brachten dem Schützenkorps einen enormen Mitgliederzuwachs. Das Schießen wurde auch bei den Damen populär, und sie schossen 1970 ihre erste Königin aus. Zwei Jahre später konnte das erste Jubiläum gefeiert werden.
10 Jahre Schützenkorps Rethen
Mit Stolz weisen die Mitglieder heute noch auf das Konzert des Heeresmusikkorps während des Jubiläumsfestes hin.
Die Startschwierigkeiten waren längst überwunden, und eine bewährte Mannschaft stand dem am 30.12.67 ins Amt gekommenen 1. Vorsitzenden Hermann Husmann zur Seite.
Um die älteren Bürger mehr für den Schießsport zu interessieren, wurde 1974 die Seniorenscheibe eingeführt. Sie ist heute zu einer der begehrtesten Scheiben geworden.
Die Begeisterung für den Schießsport ingesamt erlebte einen enormen Aufschwung. So wurden neben vielen Kreismeistern auch vier Kreiskönige und der 1. Landesritter
errungen. Der Name Heinrich Kremling sen. tauchte immer wieder hierbei auf.
Bei Rundenwettkämpfen konnten in jedem Jahr 8-10 Mannschaften gemeldet werden.
Im August 1987 konnte das Schützenkorps Rethen mit einem großartigen Festprogramm und einem großen Umzug durch das Dorf das 25jährige Bestehen feiern.
Nachdem der Schießstand im Gemeindezentrum aufgrund der hohen Mitgliederzahl nicht mehr ausreichend war, begannen die Planungen für ein eigenes Schützenhaus.
Nach vielen Hürden und Hindernissen erfolgte schließlich im August 1991 endlich die Grundsteinlegung für unser jetziges Schützenhaus.
Dank unermüdlichem Einsatz vieler Helfer und mehr als 7000 freiwillig geleisteten Arbeitsstunden konnte das Schützenhaus am 12. August 1994 offiziell im Rahmen des Schützenfestes eingeweiht werden. Die Gemeinde hat mit Bauland und Zuschüssen das Projekt gefördert, und viele Rethener Verbände, Vereine und Gruppen haben mit großzügigen Spenden dazu beigetragen, die Einrichtung zu finanzieren.
Die Damengruppe im Schützenkorps Rethen
Unsere Damengruppe besteht in diesem Jahr „42 Jahre“; das war eine schöne und erfolgreiche Zeit. Viele Pokale und Auszeichnungen haben wir miteinander gefeiert. Tagesfahrten mit dem Bus, Radtouren rund um Rethen sind immer wieder schöne Erinnerungen. Auch im schießsportlichen Bereich, mit Rundenwettkämpfen, Vergleichsschießen usw., waren wir sehr erfolgreich; so konnten wir mit Katharina Höhne und Dagmar Kluth schon zweimal die Kreisdamenkönigin stellen.
Im Jahr 1995 konnte die Damengruppe ihr 25jähriges Bestehen feiern. Im Zuge des Schützenfestes gab es einen Kommers aus diesem Anlaß. Unter allen Damengruppen der Schützenvereine aus dem Landkreis Gifhorn wurde ein Pokal ausgeschossen, der im Laufe des Kommersabends überreicht wurde.
Unsere Damengruppe unternahm in dem Jahr auch noch eine gelungene Fahrt nach Berlin, bei der alle viel Spaß hatten.
Einen sehr hohen Stellenwert nimmt heute die Jugendarbeit ein. Bis zu 20 Kinder und Jugendliche werden regelmäßig betreut, wobei die Kleineren (8-11 Jahre) mit dem Lichtpunktgewehr und die Größeren (12 – 17 Jahre) mit dem Luftgewehr üben.
Die besonderen Talente werden in der SSG Südheide gefördert. Aus diesem Kader nehmen auch Jugendliche an Landes- und Deutschen Meisterschaften teil.
Im August 2001 gab es ein besonderes Ereignis zu feiern. Das Dorf Rethen wurde 700 Jahre „alt“. Daher wurde unser Schützenfest mit diesem Fest zusammen gefeiert. Ein sehr buntes Rahmenprogramm wurde dafür gestaltet. Allein das Showprogramm, das mit Rethener Bürgern in altertümlicher Kleidung die Geschichte des Dorfes darstellte, war ein voller Erfolg. In einem sehr großen Umzug mit allen Rethener Vereinen und Bürgern wurde an der Kreuzung Heinrichstraße / Peiner Straße ein Gedenkstein enthüllt.
50 Jahre Schützenkorps Rethen
50 Jahre Schützenkorps heißt für alle bis heute ehrenamtlich tätig gewesenen Schützenschwestern und Schützenbrüder viel Einsatz, Arbeit und Fleiß. Ihnen gebührt an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön verbunden mit dem Wunsch auch künftig sich mit ganzem Herzen und voller Begeisterung für das deutsche Schützenwesen einzusetzen.
Das Schützenkorps Rethen bietet allen Interessierten jeden Alters eine breite Palette schießsportlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten an. Jeder ist in unserer großen Familie herzlich willkommen.